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Digitalisierung

Von digitalen Standards profitieren

„Open Logistics Foundation“: DACHSER hat die Initiative für mehr Digitalisierung und Standardisierung in der Logistikbranche gemeinsam mit anderen Unternehmen geschaffen. Bild: Traitov/iStock/Getty Images Plus

DACHSER hat gemeinsam mit anderen Unternehmen der Logistikbranche die gemeinnützige Stiftung „Open Logistics Foundation“ gegründet. Ein Gespräch mit DACHSER CEO Burkhard Eling und CDO Stefan Hohm über die Hintergründe und Ziele sowie die Grenzen dieser Initiative für mehr Digitalisierung und Standardisierung in der Logistikbranche.

Herr Eling, Herr Hohm, die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung, um eine „Open Source Community“ zu schaffen – was hat es damit auf sich?

Burkhard Eling: Alle Akteure entlang der Logistikkette arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, ihre Prozesse zu digitalisieren. Ein Logistikunternehmen kann in der Supply Chain nicht autark agieren – es liegt in der Natur der Sache, dass wir entlang der Logistikkette mit vielen verschiedenen Akteuren wie Kunden oder Service-Partnern zusammenarbeiten. Das funktioniert umso effizienter, je mehr gemeinsame Standards und fertige Bausteine es gibt. Gemeinsam mit den Gründungsmitgliedern der Open Logistics Foundation haben wir den ersten Schritt gemacht. Nun geht es darum, auch die anderen Marktteilnehmer von der Sinnhaftigkeit von Standards zu überzeugen. Denn je mehr Unternehmen dem Beispiel folgen, der Initiative beitreten und sich engagieren, desto größer ist auch die Chance, branchenweit akzeptierte Standards zu schaffen.

Stefan Hohm: Der Einsatz für Standards hat bei DACHSER Tradition – und hat sich auf lange Sicht immer ausgezahlt, für uns und für alle Beteiligten der Lieferkette. Denken Sie an den Barcode EAN 128 bzw. die Nummer der Versandeinheit, die NVE. Wir haben uns frühzeitig auf deren Nutzung festgelegt und uns als Mitglied der GS1 (damals CCG) massiv für Anwendungsregeln engagiert, die schließlich eine branchenübergreifende Durchdringung möglich machten. Das Engagement im Rahmen der Open Logistics Foundation folgt derselben Logik wie unsere Mitarbeit im Rahmen der GS1, die sich ihrerseits ebenfalls im Open Logistics e.V. engagiert. Die Open Logistics Foundation ist, wie die GS1, eine Option, um bestimmte Hard- und Software-Komponenten in De-facto-Standards umzuwandeln und – das ist besonders – nicht nur Anwenderempfehlungen zu geben, sondern dafür bereits Programmzeilen zu liefern. Die Basis dafür bietet Open Source.

Was versteht man darunter?

S. Hohm: Open Source bezeichnet Software, deren Quellcode einsehbar und somit auch für andere verwendbar ist. Webbrowser wie Firefox, Chrome oder Linux, das meistgenutzte Betriebssystem der Welt, funktionieren nach diesem Prinzip. Auch bei DACHSER setzen wir Open Source-Software und -Komponenten seit mehr als 15 Jahren und in inzwischen mehr als 70 Programmen und Applikationen ein. Die Open Source Community lebt von der Intelligenz vieler, in wenigen Fällen von altruistischen Motiven und sehr oft vom gemeinsamen Ziel, Prozesse zu vereinfachen, Entwicklungskosten zu teilen und Marktanteile zu erschließen.

Wie funktioniert dieser Ansatz im Rahmen der Open Logistics Foundation?

S. Hohm: Auf einer technischen Plattform, dem sogenannten Open Logistics Repository, sind Soft- und Hardware-Komponenten, Schnittstellen und Referenzimplementierungen open source unter einer freien Lizenz verfügbar. Wir – und die anderen Mitglieder – können kostenfrei auf die Plattform zugreifen, den jeweiligen Programmcode der Standard-Anwendung abrufen und diesen als Basis nutzen, um beispielsweise eigene Applikationen zu erweitern oder neue Produkte und Geschäftsmodelle schneller aufzusetzen. Welche Programmierzeilen, Konzepte und Projekte wir einbringen, können wir komplett selbst entscheiden. Und wir werden sicher nichts teilen, womit wir einen dezidierten Wettbewerbsvorteil erzielen können.

B. Eling: Es geht uns in erster Linie um den Normierungsgedanken, denn bei gewissen „Allerweltsanwendungen“ senkt eine Standardisierung den Mehraufwand für uns und die gesamte Branche. Eigenständige, nicht-kompatible Insellösungen verhindern heutzutage oft die pragmatische Vernetzung von Partnern und Kunden. Zudem wollen wir knappe und wertvolle Entwicklungsressourcen nicht dazu verwenden, um jede einzelne Code-Zeile für eine Standard-Anwendung selbst zu programmieren. Da setzen wir besser auf einem Standard auf und kreieren dann mit eigenen Daten und Logiken unseren unverwechselbaren DACHSER-USP. So können wir einen echten Mehrwert für unsere Kunden schaffen.

S. Hohm: Intelligente Logistik basiert auf leistungsfähigen IT-Systemen. Dieser Grundsatz gilt bei DACHSER schon seit vielen Jahrzehnten. Wir sind für die exzellente eigene IT-Entwicklung bekannt, und das wird auch so bleiben. Wir werden die Architektur unserer Kernsysteme weiterhin selbst orchestrieren und natürlich weiterhin Anwendungen selbst programmieren – aber eben auch am Markt vorhandene Lösungen mit in unser Portfolio einbeziehen. Und was mir ebenso sehr wichtig ist: Durch die Nutzung von Open Source lösen wir uns von der Abhängigkeit zu kommerziellen Anbietern – Open Source verschwindet nicht.

Interview with: Burkhard Eling und Stefan Hohm

Burkhard Eling ist Chief Executive Officer (CEO) von DACHSER. Stefan Hohm ist Chief Digital Officer (CDO) von DACHSER. 

Herr Eling, gibt es bereits Beispiele für branchenweite Standard-Anwendungen im Rahmen der Open Logistics Foundation?

B. Eling: Es gibt bereits eine Anwendung, deren Entwicklung die Open Logistics Foundation konkret vorantreibt und für die bereits erste Codes veröffentlicht sind: Das ist der eCMR als digitales Begleitdokument für den grenzüberschreitenden Verkehr. Darüber hinaus haben wir auch Vorschläge für Standard-Anwendungen eingereicht. Beispielsweise eine Fahrer-App: Hier hat aktuell so ziemlich jeder Logistikdienstleister seine eigene Insellösung für mehr oder weniger dieselben Funktionen: Auftragsinformationen, Routenplanung, Ruhezeitenmanagement. Mit Standard-Anwendungen wie den genannten kann sich niemand in der Branche einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ein gemeinsamer Open Source-Standard dagegen senkt den Mehraufwand für DACHSER und alle anderen, fördert die Zusammenarbeit und setzt dringend benötigte Entwicklungsressourcen frei.

Birgt diese Open-Source-Community nicht auch ein gewisses Risiko, schließlich ist doch der Wettbewerb mit im Boot?

B. Eling: Das sehe ich nicht so. Das Kartellrecht unterstützt ausdrücklich die Entwicklung von Open Source-Programmen, die dem Gemeinwohl dienen. Und nochmal: Wir teilen keinerlei Informationen, Prozesse, Programme oder Applikationen, die für DACHSER einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Wir legen auch keine Preise oder andere kundensensiblen Daten offen. Darüber hinaus wurden Compliance-Prozesse aufgesetzt, die eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit ermöglichen und einen Missbrauch ausschließen.

S. Hohm: Wir entwickeln weiter zukunftsfähige Software und intelligente Prozesse, die allein uns und unseren Kunden zur Verfügung stehen. Wir werden künftig aber Basis-Anwendungen und -Codes teilen, um langfristig von Branchen-Standards, die sich beim Kunden und beim Wettbewerb etablieren, zu profitieren. Transparenz, Barrierefreiheit und Compliance stehen auch im täglichen Umgang an oberster Stelle.

Welche Bedeutung hat der Open-Source-Ansatz für die Zukunft der Logistikbranche? Und was heißt das für DACHSER?

S. Hohm: Open Source erleichtert den Einstieg in die Digitalisierung und ist damit ein wichtiger Erfolgsfaktor für die gesamte Logistikbranche. Digitalisierung bedeutet Vernetzung – und das geht nur gemeinsam. Worauf kommt es an, dass Open Source in der Logistik nun ein Erfolg wird? Ein kreativer Ansatz, komplette Transparenz, gemeinsame Applikationen, maximale Usability und die Fragestellung, wie wir alle Unternehmen beteiligen, damit der richtige Business Case als Leuchtturm gesetzt werden kann.

B. Eling:
Die Digitalisierung gibt uns die Chance, die Art, wie wir unsere Prozesse steuern, wie wir unser Arbeitsumfeld gestalten und wie wir mit Kunden und Partnern entlang der Lieferkette zusammenarbeiten, komplett neu zu denken. Wenn es uns gelingt, in allen Bereichen digitaler zu agieren und zu denken, kommen wir der Erfüllung unserer Mission, nämlich DACHSER zum integriertesten Logistikdienstleister zu machen, ein großes Stück näher. Open Source und unser Engagement im Rahmen der Open Logistics Foundation sind auf diesem Weg ein wichtiger Schritt, weil wir unsere wertvollen personellen Ressourcen in der Software-Entwicklung wertschöpfender einsetzen können. Damit werten wir diese Arbeit auf und sichern gleichzeitig unseren wirtschaftlichen Erfolg. Das sind sehr gute Gründe, um von Beginn an die Idee der Open Logistics Foundation zu unterstützen und für das Schaffen von Branchen-Standards einzutreten.

Vielen Dank Ihnen beiden für das interessante Gespräch. 

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